Wie viele Vogelarten brüten hierzulande? Neuer Österreichischer Brutvogelatlas erschienen
2,1 Millionen Datensätze, 2.300 ehrenamtliche Kartierer:innen (Citizen Scientists) und 235 heimische Brutvogelarten: Der Österreichische Brutvogelatlas 2013–2018 ist die aktuellste und umfassendste Wissensquelle über das Vorkommen der Brutvögel in Österreich und über Veränderungen ihrer Verbreitungen während der letzten Jahrzehnte. Mit detaillierten Karten, Abbildungen, Fotos und Texten ist nach 30 Jahren ein neues Standardwerk der Ornithologie entstanden.








v.l.: Gábor Wichmann (Geschäftsführer BirdLife Österreich), Norbert Teufelbauer (BirdLife Österreich), Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, ÖBf-Vorstand Andreas Gruber © BMK/C. Perwein
Alpenschneehuhn © J. Hohenegger
Lachmöwe © M. Dvorak
Zwergohreule © A. Tiefenbach
Vom Alpenschneehuhn über die Lachmöwe bis hin zur Zwergohreule: Der Brutvogelatlas stellt auf 680 Seiten die Verbreitungen aller 235 Vogelarten dar, die im Zeitraum 2013–2018 in Österreich gebrütet haben, und vergleicht diese Ergebnisse mit dem ersten österreichischen Brutvogelatlas (1981–1985). Die Vogelarten sind dabei sehr ungleich über das Bundesgebiet verteilt: Besonders artenreich ist der äußerste Osten, wo stellenweise bis zu 129 Vogelarten auf 100 km2 brütend angetroffen wurden. Mit zunehmender Seehöhe nimmt die Artenzahl deutlich ab, und im Gebirge über der Baumgrenze brüten nur mehr eine Handvoll Spezialisten wie zum Beispiel Alpendohle oder Schneesperling. Die Datenerhebung erfolgte in Form von Citizen Science, hauptsächlich über die Online-Meldeplattform ornitho.at: Mehr als 2.300 ehrenamtlich tätige Kartierer:innen sammelten in sechs Jahren mehr als 2,1 Millionen Datensätze.
Herausgeber Norbert Teufelbauer von BirdLife Österreich: „Der Brutvogelatlas bündelt Erkenntnisse über die aktuelle Verbreitung unserer Brutvögel. Er liefert wissenschaftlich fundierte Grundlagen für eine effiziente Naturschutzarbeit in Österreich und er zeigt darüber hinaus interessierten Personen in ansprechender Form alles Wesentliche über die heimische Brutvogelwelt.“
Leonore Gewessler, Klimaschutzministerin: „Die vielen und wertvollen Vogelarten Österreichs sind ein äußerst wichtiger Bestandteil eines komplexen und empfindlichen Gleichgewichts und tragen zur bunten Einzigartigkeit unserer Natur wesentlich bei. Ich freue mich, dass es mit dem österreichischen Brutvogelatlas nun ein Standardwerk für weitere Forschungsarbeiten gibt. Damit wird mithin deutlich, welchen wichtigen Beitrag Wissenschaft und Forschung im Kampf gegen die Klimakrise leistet.“
Andreas Gruber, Vorstand für Forstwirtschaft und Naturschutz der Österreichischen Bundesforste: „Den Herausforderungen des Klimawandels begegnen wir mit naturnaher und nachhaltiger Waldbewirtschaftung, klimafitten Wäldern und intakten Waldökosystemen. Dazu braucht es fundierte Grundlagenforschung, innovative Lösungsansätze und konstruktive Zusammenarbeit über Branchengrenzen hinweg. Die Partnerschaft zwischen BirdLife und den Bundesforsten besteht seit mehr als 20 Jahren: Gemeinsam haben wir aus wissenschaftlichen Erkenntnissen der Ornithologie praxisnahe Vogelschutzmaßnahmen abgeleitet, die in unseren Revieren umgesetzt werden. Das nun vorliegende Standardwerk wird unsere Mitarbeiter:innen bei der ökologischen Bewirtschaftung der Wälder unterstützen.“
Der Österreichische Brutvogelatlas 2013–2018 ist im Verlag Naturhistorisches Museum Wien erschienen und kostet EUR 95.- (978-3-903096-72-1). Bestellungen unter: verlag [AT] nhm [.] at
Das Projekt wurde im Rahmen der Ländlichen Entwicklung 2014–2020 vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen, Wasserwirtschaft und vom
Bundesministerium für Klimaschutz unterstützt.
DETAILERGEBNISSE:
Artenreichtum
Von den 235 im Zeitraum 2013–2018 festgestellten Vogelarten brüten 218 regelmäßig in Österreich, 13 unregelmäßig und vier weitere Arten sind nur ausnahmsweise Brutvögel. 222 aller Brutvogelarten sind ursprünglich heimisch, 13 sind gebietsfremd (sie wurden durch den Menschen eingebracht). Durch die vielfältigen Lebensräume und die große Spanne an Seehöhen (114–3.798 m) ist Österreich trotz der geringen Fläche (83.883 km2) insgesamt relativ artenreich.
Artenbilanz
Im Vergleich zu den Ergebnissen des ersten Atlas (1981–1985) ist die Anzahl der einheimischen, regelmäßig brütenden Arten um elf gestiegen. Die Zahl der unregelmäßigen Brutvögel hat sich um zwei verringert, die Zahl der ausnahmsweisen Brutvögel um drei erhöht. Als Brutvögel gänzlich verschwunden sind Rothalstaucher, Rötelfalke und Rotkopfwürger.
Demgegenüber sind im Zeitraum des zweiten Atlas 16 Vogelarten als Brutvögel aufgetreten, die im Zeitraum des ersten nicht in Österreich brüteten. Fünf dieser Arten waren zu früheren Zeitpunkten Brutvögel in Österreich, galten aber zum Zeitraum des ersten Atlas als ausgestorben (Kranich, Kormoran, Kaiseradler, Seeadler und Habichtskauz). Die restlichen elf Arten hatten nach heutigem Wissensstand zuvor noch nicht in Österreich gebrütet: Brandgans, Schellente, Zwergscharbe, Seidenreiher, Kornweihe, Weißbart-Seeschwalbe, Küstenseeschwalbe, Mittelmeermöwe, Zitronenstelze, Zistensänger und Orpheusspötter.
Die Zahl der nicht einheimischen Arten mit selbsterhaltender Population ist gleich groß geblieben. Neben den vier in beiden Atlasperioden in Österreich brütenden Arten (Höckerschwan, Mandarinente, Fasan und Straßentaube) ist in dieser Gruppe der Halsbandsittich als Brutvogel verschwunden. Ein Neuzugang in dieser Kategorie ist dagegen der Bartgeier. Die Art wurde nach seiner Ausrottung im gesamten Alpenraum erfolgreich wieder angesiedelt, die Vögel sind aber aus formellen Gründen als nicht einheimisch eingestuft, da die angesiedelten Individuen aus anderen Regionen stammen.
Die meisten Arten, die Österreich neu- oder wiederbesiedelt haben, zeigen auch auf europäischer Ebene Ausbreitungen. Bei einigen Arten kann die positive Entwicklung auf verbesserte Schutzbemühungen sowie die Reduktion der direkten menschlichen Verfolgung zurückgeführt werden.
Arealveränderungen nach Lebensräumen
Die meisten österreichischen Brutvogelarten kommen nicht in ganz Österreich vor. Betrachtet man die Veränderungen der jeweils besiedelten Areale zwischen den beiden Atlasperioden (1981–1985 vs. 2013–2018), so zeigen sich je nach Lebensraumzugehörigkeit unterschiedliche Muster: In der recht kleinen Gruppe der Bergvögel (15 Arten) sowie in der Gruppe der Kulturlandvögel überwiegen Arten mit Arealverlusten. Bei Waldvögeln sind Arten mit Arealverlusten in der Minderheit. Unter den Feuchtgebietsarten sind zunehmende, abnehmende und stabile Areale gleich häufig und bei den wenigen Siedlungsarten sind die Areale meistens unverändert geblieben. Betrachtet man die Arealveränderungen nach Einstufung in der Roten Liste der Brutvögel Österreichs, so treten unter den gefährdeten Arten (alle Kategorien außer „nicht gefährdet“) deutlich öfter Arealrückgänge auf als bei den nicht gefährdeten Arten. Ein ähnliches Ergebnis liefert die Auswertung nach der österreichischen Ampelliste: Arten mit einem unmittelbaren Handlungsbedarf („Rot“ eingestufte Arten) zeigen wesentlich öfter Arealverluste als Arten der beiden anderen Kategorien.
Änderungen in den Höhenverbreitungen
Auch bei den Veränderungen in den Höhenverbreitungen zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen: Bergvögel und Waldvögel sind in den letzten 30 Jahren deutlich bergwärts gewandert. Bei Kulturlandschaftsvogelarten hat sich die mittlere Seehöhe der Vorkommen im Schnitt nicht verändert. Unter Ausschluss weniger „Ausreißer“ hat sich allerdings in dieser Gruppe die Verbreitung vieler Arten leicht abwärts verschoben. Auch Feuchtgebietsarten sowie Siedlungsvögel zeigen geringfügig niedrigere mittlere Seehöhen. Eine Analyse der 75 häufigsten österreichischen Brutvögel ergab, dass das Höherwandern vom Ausgangspunkt abhängig ist: Je höher eine Art im ersten Atlas vorkam, desto stärker hat sich ihre mittlere Seehöhe nach oben verlagert.
Ursachen der Veränderungen
Die meisten Arten, die Österreich neu- oder wiederbesiedelt haben, zeigen auch auf europäischer Ebene Ausbreitungen. Bei einigen Arten kann die positive Entwicklung auf verbesserte Schutzbemühungen sowie die Reduktion der direkten menschlichen Verfolgung zurückgeführt werden (z. B. Kranich, Kormoran, Bartgeier, Kaiseradler, Seeadler). Es war nicht das Ziel des Brutvogelatlas, die Ursachen der dokumentierten Ausbreitungen bzw. Arealverluste genau festzumachen. Generell ist jedoch davon auszugehen, dass Veränderungen in den Lebensräumen der Vogelarten sowie der Klimawandel sehr wichtige Einflussfaktoren sind. Das Höherwandern vieler Berg- und Waldvögel hängt wahrscheinlich mit dem Nettozuwachs von Wald besonders in größeren Seehöhen, eventuell in Kombination mit klimatischen Faktoren, zusammen. Bei den Brutvögeln der Kulturlandschaft sind Einflüsse des Klimas unwahrscheinlich – die gefundenen Veränderungen sind in erster Linie auf Lebensraumveränderungen bzw. -verluste (z. B. intensivere Wiesennutzung) zurückzuführen.
Rückfragehinweise:
BirdLife Österreich
Dr. Susanne Schreiner, Pressesprecherin BirdLife Österreich
Tel. +43 (0) 699 181 555 65
susanne.schreiner [AT] birdlife [.] at
Österreichische Bundesforste
Mag. Andrea Kaltenegger, MBA
Unternehmenssprecherin
Tel. +43 (0) 2231-600-1521
andrea.kaltenegger [AT] bundesforste [.] at